Tychow (Tychowo) (†) (K)

Der Ort Tychow (Tychowo), zum Kreis Schlawe gehörend, liegt sieben Kilometer südöstlich der gleichnamigen Kreisstadt an der nach Bütow führenden Landstraße. Die erste Erwähnung des Gemeinwesens erfolgte im Jahre 1229 in einer Urkunde, laut der Herzog Barnim I. dem Johanniterorden den Besitz von Wendisch Tychow (Ortsname bis zum 29. Dezember 1937, danach Tychow) und anderen Orten in den Kreisen Stolp und Rummelsburg bestätigte. Später ging das Lehen an die von Bonin über. So werden 1409 „Hennynk Bonyn von Tychowe“ und 1453 „Teslaf Bonin to Tichowe“ in heute nicht mehr vorhandenen Urkunden des Schlawer Stadtarchivs als Zeugen genannt.

1506 erhielt der pommersche Kanzler Jürgen von Kleist von Herzog Bogislaw X. mittels Tauschvertrag Wendisch Tychow zu Lehen. Seither blieb der Besitz in ununterbrochener Erbfolge bis 1945 in von Kleist’scher Hand. Zu einem der herausragendsten Vertreter dieses auf Tychow gesessenen Geschlechts gehörte Eduard Erdmann Heinrich von Kleist (1789–1856, Bauherr des Wipperkanals, Förderer der Merinoschafzucht, erster Präsident der Pommerschen Ökonomischen Gesellschaft). Zu seinen späteren Besitznachfolgern gehörten Friedrich Wilhelm Graf von Kleist (wird 1911 genannt) und Ewald Graf von Kleist (1882–1956, wenigstens von 1939 bis 1945, vor 1933 stellv. Landrat und Mitglied des Provinziallandtages). Neben dem Gut (1911 betrug dessen Flächenumfang 2148 Hektar und 1939 waren es 1976 Hektar) gab es im Ort noch 17 bäuerliche Betriebe unter zehn Hektar und 28 über zehn Hektar.

Um der näher rückenden Roten Armee zu entkommen, begaben sich die Dorfbewohner am 7. März 1945 in Richtung Stolpmünde auf die Flucht. In Thyn wurden die Fliehenden jedoch von der Front eingeholt und überrollt, sodass sie sich nur unter Aufgabe ihrer gesamten Habe aus der Kampflinie retten konnten. Wieder zu Hause angekommen, fielen die Rückkehrer in die Hände der sowjetischen Siegermacht. Diese verschleppte am 18. März 1945 drei Frauen und 19 Männer, von denen die meisten in den Weiten Russlands umkamen. Außerdem wurde Wilhelm Rienow von den Russen erschlagen. Anfang Mai 1946 begann die Ausweisung der deutschen Dorfbevölkerung. Davon ausgenommen waren lediglich die Gutsarbeiterfamilien, da sie als billige Arbeitskräfte zur Weiterführung des großen Agrarbetriebes zwangsverpflichtet wurden. Zu den ersten Vertriebenen des Ortes gehörten unter anderem Ewald Graf von Kleist, Gräfin Margarete, deren Base Alice und die Köchin Fräulein Klemme. Obwohl die vier „Schlossinsassen“ vor ihrem endgültigen Abtransport im Schlawer Sparkassenkeller diverse Schikanen und Demütigungen durch die polnische Wachmannschaft zu erdulden hatten, blieb ihre relative Unversehrtheit zur damaligen Zeit eine der wenigen Ausnahmen unter den nicht geflohenen Adelsfamilien Hinterpommerns.

Der Tychower Herrensitz, ehemals im Südostteil der dortigen Parkanlage gelegen, war ein recht ausgedehnter Hauskomplex (insgesamt etwa 85 Meter lang). Dieser bestand aus dem Hauptgebäude (Straßen- beziehungsweise Südfront: 15 Achsen, zweigeschossig, östlicher Seitenrisalit mit polygonalem Turmvorbau, Mittelrisalit mit apsidialer Laibung, davor mehrere Statuen, vermutlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet), dem sich in Richtung Westen anschließenden Altbau (Fachwerkgebäude, ca. elf Achsen, um 1760 aufgeführt, anfangs nur eine Hälfte zweigeschossig, der übrige Teil 1821 nach Brand aufgestockt) und dem kurzen Verbindungstrakt zwischen Alt- und Neubau.

Zum damaligen Gutsbesitz gehörte unter anderem auch das Vorwerk Sigurdshof, auf dem Dietrich Bonhoeffer 1940/41 seine illegalen Predigerseminare abhielt.[1]

Der Standort des nach 1945 untergegangenen Herrenhauses wird heute (2005) zum Teil von einem Neubau eingenommen. Geblieben sind zwei steinerne Greifen auf dem nahen Parktor, und auch der Park selbst hat sein relativ großes Areal (26,9 Hektar, darin eingeschlossen eine ausgedehnte Teichanlage) über das Jahr 1990 hinaus bewahren können. Leider ist die vormals sehr gepflegt gewesene Anlage gegenwärtig in weiten Bereichen verbuscht und verwildert.[2]

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[1] Schulz, Paul: Tychow, in: Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch, 2. Band – die Städte und Landgemeinden, hrsg. i. Auftr. d. Heimatkreises Schlawe v. Manfred Vollack unter Mitarbeit v. Ernst H. v. Michaelis und vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum 1989, S. 1238ff.

[2] Ebd., S. 1241

 

Abkürzungen:
(†) Untergegangenes Haus
(K) Kurzbeschreibung

  1. Tychow (Tychowo), Herrenhaus, Südseite des neuen Flügels, Lithografie von Rudolf Muchow (um 1925), aus: Der Kreis Schlawe, Bd. 2, v. Manfred Vollack, Husum 1989, S. 1247
  2. Tychow (Tychowo), Herrenhaus, Südseite des neuen Flügels, Aufnahme wohl Anfang 20. Jh., aus: Der Kreis Schlawe, Bd. 2, v. Manfred Vollack, Husum 1989, S. 1247
  3. Tychow (Tychowo), Herrenhaus, Südseite des alten Flügels, Aufn. wohl Anfang 20. Jh., aus: Der Kreis Schlawe, Bd. 2, v. Manfred Vollack, Husum 1989, S. 1247
  4. Tychow (Tychowo), straßenseitiges Parktor von Südosten; Foto: D. Schnell, April 2003