Reddentin (Redęcin) (†) (K)

Der Ort Reddentin (Redęcin) wird erstmals im Jahre 1297 erwähnt. Zu der Zeit befand sich das westlich von Stolp gelegene Gemeinwesen im Besitz des Ritters Virchewitz. Man nimmt an, dass besagter Ritter der Stammvater der Familie von Woyen war, da eine Schlawer Urkunde aus dem Jahre 1337 einen „Woyen de Redentin“ als Zeuge aufführt. Später gelangte der Ort an die Herren von Below. In einem von Bogislaw X. ausgestellten Lehnsbrief für Gerd Below „to Sileske“ von 1497 findet auch Reddentin-Symbow Erwähnung. Dieses Lehen und das dazugehörige Medenick wurden damals abwechselnd von Gatz, Pennekow oder Saleske aus verwaltet, wobei zu bemerken ist, dass die drei letztgenannten Orte ebenfalls in den Händen der Familie von Below lagen.[1]

1784 vereinigte Martin von Below auf Pennekow „die Pennekower und Gatzer Güter und damit auch Reddentin, Symbow und Medenick in einer Hand“. 1793 fielen die herrschaftlichen Anwesen an Martins Vetter Karl Gustav von Below. Dessen zweiter Sohn Gustav, der als Jurist die Funktion eines Landschaftsdirektors in Stolp innehatte, erbte 1819 Reddentin, Symbow und Medenick. Unter ihm wurde 1823 mit der „Regulierung der gutsherrlichen und bäuerlichen Verhältnisse“ begonnen. Zu den unmittelbaren und späteren Besitznachfolgern des Landschaftsdirektors gehörten: Albert von Below (von 1843 bis 1851, Sohn des Vorgenannten), Heinrich von Below auf Seehof (von 1851 bis 1855, Onkel des Vorbesitzers), Octavio von Below (von 1855 bis 1897, Heinrichs Sohn, stiftete 1874 das Fideikommiss Reddentin mit Symbow, Medenick und Klein Runow), Paul von Below (von 1897 bis 1906, Octavios Sohn), Octavio II. von Below (von 1906 bis 1918, Sohn des Vorgenannten, starb ohne männliche Leibeserben) und Dr. Gerd von Below (1904–2001, von 1929 bis 1945, aus Henriettenhof/Ostpreußen stammend, über zehn Jahre Vorsitzender der Stolper Heimatgruppe Bonn und von 1986 bis 2001 deren Ehrenvorsitzender).[2]

Anfang März 1945 flüchteten die Reddentiner Einwohner vor der näherkommenden Front in Richtung Stolpmünde. Da die Straßen dorthin aber überfüllt waren, kehrten sie bald wieder um. Am 8. März wurde Reddentin von der Roten Armee besetzt. Die Sieger trieben alle arbeitsfähigen Männer des Ortes zusammen und schickten sie auf einen Marsch nach Graudenz, wo die meisten von ihnen in einem Gefangenenlager ums Leben kamen. Das Reddentiner Gut wurde bis 1956 von der im Ort verbliebenen deutschen Restbevölkerung bewirtschaftet, anfangs unter russischem und ab 1947 unter polnischem Kommando. Die letzten deutschen Aussiedler verließen den Ort 1956 in Richtung DDR bzw. Bundesrepublik.[3]

Bezüglich seiner Ausstattung und vornehmen Eleganz gehörte das Reddentiner Herrenhaus zu den schönsten Adelssitzen der Provinz. Bauherr war der Landschaftsdirektor Gustav von Below. Als beratender Sachverständiger fungierte dessen Vetter Alexander von Below (zog später ins ostpreußische Hohendorf). Gustav von Below engagierte sich aber nicht nur als Bauherr und Verwaltungsbeamter, sondern er nahm auch bei den „Belowianern“, eine von ihm gegründete christliche Erweckungsbewegung, eine führende Stellung ein.[4]

Der 1834 errichtete L-förmige Herrensitz klassizistischer Prägung bestand aus dem Hauptgebäude (Streichrichtung Südwest–Nordost, zweigeschossig, etwa 35 × 15 Meter, Walmdach), dem südwestlichen Anbau (zweigeschossig, ca. 14 × 12 Meter, Flachdach, ursprünglich jüngster Bauteil, lag mit dem Hauptgebäude parkseitig auf einer Linie, war mit diesem durch einen drei Meter breiten Zwischenbau verbunden) und dem Schlaftrakt (zweigeschossig, etwa 21 × 16 Meter, verlief parallel zur nordöstlichen Schmalseite des Hauptgebäudes mit Versetzung nach Nordwest, vormals auf Pyramidendach eingeschossiger Aussichtsturm, zwischen Corps des Logis und Trakt ebenfalls kleiner Verbindungsbau). Über den Architekten beziehungsweise Baumeister des Hauses lassen uns die historischen Quellen leider im Unklaren, allerdings wird Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) der Entwurf des Festsaales im oben genannten Anbau zugeschrieben. Um 1870 errichtete Octavio von Below an der Gartenseite des Hauptgebäudes kurz vor deren Südwestende einen Turm (dreigeschossig, geschweifte Haube, Parkseite in polygonaler Form), der mit dem Corps de Logis unter anderem durch ein sich anschließendes Treppenhaus verbunden war. Einen weiteren Neubau ließ Octavio II. 1913 errichten. Dieser Flügel ersetzte den aus bautechnischen Gründen (Schwammbefall) abgebrochenen Schlaftrakt. Über die Raumgestaltung und Ausstattung des alten Adelssitzes berichtet uns Gerd von Below Folgendes: „Man betrat das Haus zur ebenen Erde von der Hofseite aus und befand sich zunächst in der Garderobe mit Einbauschränken rundum. Dann gelangte man durch eine Glastür ins Treppenhaus. Die Treppe ging rechts herum an drei Wänden entlang bis zur Höhe des Obergeschosses, wo eine Ballustrade nach rechts und links in die Wohnräume hineinführte. Von dort konnte man am besten die Kuppel über dem Treppenhaus und die Wandgemälde betrachten. Kuppel und Wände waren mit Fresken um 1870 herum ausgemalt worden. In der Kuppel allegorische Figuren, an den vier Wänden Fresken, die Szenen aus der Below’schen Geschichte und Mythologie zeigten.“[5]

Im Obergeschoss des Hauptgebäudes befand sich an zentraler Stelle der „Grüne Saal“. Auch über ihn gibt uns Gerd von Below Auskunft: „Durch eine Doppeltür, die immer offen stand, kam man nach Süden in den Grünen Saal, das Zentrum und Prunkstück des Hauses. Drei zum Boden heruntergezogene Fenster öffneten den Weg auf den über die ganze Breite des Grünen Saals reichenden großen Balkon. Man blickte auf den Park, der von einem Wiesental mit einem Bächlein und zwei Teichen gebildet wurde, umgeben von hohen Waldbäumen […] Der Grüne Saal hatte ein schön gemustertes Parkett. Die Wände waren rundum mit einer sehr farbigen Bildertapete versehen. Sie stellte in laufender Folge italienische Landschaften, u. a. das Kolosseum in Rom und den rauchenden Vesuv, dar. Die Tapete trug eine Signierung: ,Mogin fecit, Rixheim 1818‘ […] Der Grüne Saal mit grün gepolsterten eingelegten Mahagoni-Möbeln und grünroten Teppichen ausgestattet, war der Hauptaufenthaltsort der Familie.“[6]

Im Haus gab es darüber hinaus noch den bereits anfangs erwähnten Festsaal im Anbau beziehungsweise Südwestflügel. Nach Gerd von Below hatte er folgendes Aussehen: „Er war in weißem Stuck mit Goldleisten gehalten und hatte halbrunde Ecken mit Nischen. Die fünf [parkseitig vier; D. S.] Fenster mit Rundbögen konnten durch rote Brokatvorhänge abgedeckt werden. Im Festsaal standen lange weiße Tische mit Goldverzierungen. Die 24 Renaissancestühle in Weiß und Gold waren mit rotem Brokat gepolstert.“[7]

Nach 1945 diente das ausgeplünderte Gebäude anfangs als Kornspeicher und Landerholungsheim für polnische Großstadtkinder, später nutzte man es als Gemeinschaftshaus. Etwa ab 1957 stellten sich erste Verfallserscheinungen am Mauerwerk ein. Da diese in der Folgezeit nicht mehr behoben werden konnten, wurde der klassizistische Bau am Montag, dem 6. August 1973, vom polnischen Militär gesprengt.[8]

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[1] Below, Gerd von: Reddentin, in: Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch, 2. Band: Die Städte und Landgemeinden, hrsg. i. Auftr. d. Heimatkreises Schlawe v. Manfred Vollack u. Mitarb. v. Ernst H. v. Michaelis und vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum 1989, S. 1116

[2] Ebd., S. 1117ff. sowie o. A.: Gedenkanzeige für Dr. Gerd von Below, in: Die Pommersche Zeitung, Jahrgang 51, Folge 45, vom 10. November 2001, S. 15

[3] Below, Gerd von: Reddentin, in: Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch, 2. Band: Die Städte und Landgemeinden, hrsg. i. Auftr. d. Heimatkreises Schlawe v. Manfred Vollack u. Mitarb. v. Ernst H. v. Michaelis und vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum 1989, S. 1118

[4] Sieber, Helmut: Schlösser und Herrensitze in Pommern, 3. Aufl., Frankfurt am Main 1978, S. 133

[5] Below, Gerd von: Der Herrensitz Reddentin, in: Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch, 1. Band: Der Kreis als Ganzes, hrsg. i. Auftr. d. Heimatkreises Schlawe v. Manfred Vollack u. Mitarb. v. Ernst  H. v. Michaelis und vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum 1986, S. 421

[6] Ebd., S. 422

[7] Ebd., S. 421

[8] Ebd., S. 423

 

Abkürzungen:
(†) Untergegangenes Haus
(K) Kurzbeschreibung

  1. Reddentin (Redęcin), Lageplan des Herrenhauses, aus: Below, Gerd von: Der Herrensitz Reddentin, in: Der Kreis Schlawe. Ein pommersches Heimatbuch, 1. Band: Der Kreis als Ganzes, hrsg. i. Auftr. d. Heimatkreises Schlawe v. M. Vollack u. Mitarb. v. E. H. v. Michaelis und vielen Landsleuten aus dem Kreis Schlawe, Husum 1986, S. 421