Karnitz (†) (K)

Der Ort Karnitz (Karnice) liegt 14 Kilometer südwestlich von Treptow an der Rega. Das Gemeinwesen gehört ohne Zweifel zu den ältesten Ansiedlungen Hinterpommerns, da es bereits 1180 unter dem Namen Carcene als Schenkung an das gerade gegründete Kloster Belbuck Erwähnung findet. Im Jahre 1321 werden in einer Greifenberger Urkunde die Herren von Karnitz als Lehnsinhaber der gleichnamigen Ortschaft genannt. Ihre Besitzrechte an dem Ort sowie die an Neides, Nitznow, Gützelfitz, Dresow, Pustichow, Moitzow und Groß-Zapplin erloschen erst im Jahre 1798 mit dem Tode des Legationsrates Adolf Karl Graf von Karnitz. Zu dessen Besitznachfolgern auf Karnitz und Pertinenzen gehörten: der Kammerherr Sigmund von Brockhusen (von 1798 bis 1801), der Ritterschaftsrat Leopold K. Fr. von Heyden (von 1801 bis 1828), der Kaufmann Witzlow aus Stettin (von 1828 bis 1840), der Grundbesitzer Elbe (von 1840 bis 1857), Oskar Elbe (ab 1857, Sohn des Vorgenannten, vermählt mit der Tochter des Reichsgrafen von Stillfried-Rattonitz, wurde 1861 geadelt), Katharine verw. von Elbe geb. Gräfin von Wartensleben (erscheint 1914 in den Annalen),[1] von Elbe’sche Erben (werden 1928 erwähnt) und Oskar Ludwig und Marga von Elbe (treten 1939 in Erscheinung).

Im Jahre 1892 verfügte das dortige Rittergut (daneben existierten im Ort noch mehrere Bauernhöfe) über einen Flächenumfang von 708 Hektar, 1928 waren es 634 Hektar und 1939 kamen 659 Hektar in Anschlag.[2]

In Karnitz gab es ein relativ großes schlossartiges Herrenhaus, das im 18. Jahrhundert – wahrscheinlich im ersten Drittel desselben – anstelle eines älteren Vorgängergebäudes errichtet worden war.[3] Der langgestreckte Barockbau (16 × 3 Achsen, Mansarddach, Eckquaderung, Streichrichtung Nordwest–Südost) verfügte straßen- beziehungsweise südwestseitig über einen zwei- oder vierachsigen Mittelrisalit (Eckquaderung, ohne Giebelabschluss) mit vorgelagerter Veranda und Auffahrt, wobei sich Letztere durch ein massives, von Postamenten gestütztes Geländer auszeichnete.[4] Etwa 40 Meter südwestlich des Hauptportals wurde die Zuwegung von zwei Torpfeilern tangiert. Auf jedem der beiden Pfeiler zog das mächtige Geweih einer in liegender Position dargestellten Hirschskulptur die Blicke auf sich.[5] Das etwa 54 Meter lange „Schloss“ lag in Hinterpommern in etwa mit den barocken „Residenzen“ Koseeger (vor dessen Erweiterung im 19. Jahrhundert), Stargordt, Lassehne (Rotes Schloss) und Groß Jannewitz (vor dessen Aufstockung um 1835) auf einer Größenebene, doch übertraf es die ebenfalls im 18. Jahrhundert aufgeführten Häuser Bartin, Basenthin (Fachwerkbau), Friedrichsdorf (Altbau), Heinrichsdorf (Altbau), Kantreck (ohne Flügel), Kremzow (Südflügel) und Varzin (Altbau).

Das Karnitzer Herrenhaus stand im nordwestlichen Parkbereich in der Nähe der Straßengabel Zirkwitz–Neides. Berühmt war das Haus aufgrund seiner 15 holländischen Wirkteppiche, die der örtlichen Überlieferung zufolge von dem 1689 in Den Haag verstorbenen Gesandten Erasmus Konrad von Karnitz erworben worden sein sollen. Bei den Teppichen handelte es sich um folgende Exemplare:

  1. Weiher im Walde, drei Meter hoch und zwei Meter breit
  2. Der Raub der Sabinerinnen, 2,8 Meter hoch und 4,3 Meter breit
  3. Der Tod der Virginia, 2,8 Meter hoch und 3,2 Meter breit
  4. Der Tod der Kleopatra, 2,8 Meter hoch und zwei Meter breit
  5. Minerva, 2,8 Meter hoch und zwei Meter breit
  6. Die Verstoßung der Hagar, 3,2 Meter hoch
  7. Die Königin von Saba, 3,2 Meter hoch und 2,8 Meter breit
  8. Das Urteil Salomos, 3,2 Meter hoch und 2,2 Meter breit
  9. Keine Angaben
  10. Joseph nimmt Abschied von den Eltern, zu den Abmaßen keine Angaben
  11. Esther nimmt Abschied von den Eltern, zu den Abmaßen keine Angaben
  12. Der verlorene Sohn bei dem Wucherer, etwa 1,5 Meter hoch und einen Meter breit
  13. Der verlorene Sohn in der Spielhölle, zu den Abmaßen keine Angaben
  14. Der verlorene Sohn als Schweinehirt, zu den Abmaßen keine Angaben
  15. Der verlorene Sohn, seine Wiederaufnahme in das Vaterhaus, zu den Abmaßen keine Angaben[6]

Der hier in Rede stehende Barockbau und seine wertvolle Innenausstattung sind freilich schon seit Langem unwiederbringlich verloren. Wahrscheinlich wurde das stattliche Gebäude bald nach 1945 dem Erdboden gleichgemacht. Dafür errichtete man in seiner Nähe einen mehrgeschossigen Neubau, um dem zunehmenden Wohnungsbedarf des polnischen Staatsgutes (PGR) Rechnung zu tragen.

Der Karnitzer Park ist etwa elf Hektar groß. Die umfangreiche Anlage wird mittig von einem Bachgraben durchzogen, über den sich vormals drei Brücken spannten. Noch heute kann man in dem ansonsten verwilderten Terrain mehrere Baumriesen aus dem 19. Jahrhundert in Augenschein nehmen.

Von dem bereits anfangs erwähnten Vorgängergebäude (wahrscheinlich ein festes Haus) war zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein als Stall fungierendes Reststück erhalten geblieben.[7] Es ist freilich nicht auszuschließen, dass dieser Stall oder ein Teil desselben mit dem gleichnamigen Exemplar im Park (nur wenige Meter nordöstlich des ehemaligen „Schlossstandortes“ gelegen, schon recht desolat, zum Teil mittelalterliches Steinformat) identisch ist.

Im Gegensatz zum Karnitzer „Schloss“ hat die dortige Kirche ihr Mauergeviert bis in die Gegenwart bewahren können. Das noch aus dem späten Mittelalter stammende Gotteshaus (knapp 30 Meter lang, hoher Rechteckturm) glänzte im Jahre 2007 mit einem neuen Putz- und Farbbelag, der dem dortigen Pfarrer (siehe auch Beitrag „Dresow“) und seiner Gemeinde alle Ehre macht.

Infolge des Zweiten Weltkrieges fiel Karnitz wie ganz Hinterpommern 1945 an Polen. Damit einher ging die Ausweisung der noch im Ort lebenden deutschen Einwohner.

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[1] Ulrich, Albert: Die Chronik des Kreises Greifenberg in Hinterpommern, o. O. 1990, S. 308f.

[2] Ebd., S. 311, sowie Niekammer’s Landwirtschaftliches Güter-Adreßbücher, Bd. 9, Reihe 1: Pommern, Leipzig 1939

[3] Lemcke, Hugo (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin, hrsg. i. Auftr. d. Ges. f. Pom. Gesch. u. Altertumskunde, Heft XI: Kreis Greifenberg, Stettin 1915, S. 133

[4] Unser Pommerland, Monatsschrift für das Kulturleben der Heimat, Stadt und Kreis Neustettin, 12. Jg. (1927), Heft 9/10, S. 9; vgl. auch Ulrich, Albert: Die Chronik des Kreises Greifenberg in Hinterpommern, o. O. 1990, S. 310, und Granzow, Klaus (Hrsg.): Pommern in 1440 Bildern, Würzburg 2001, S. 296 (obere Abb.)

[5] Müller, Irma: Im Gänsemarsch auf den Leuchtturm, in: Die Pommersche Zeitung, Folge 35/10, 4. September 2010, S. 5

[6] Lemcke, Hugo (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmäler des Regierungsbezirks Stettin, hrsg. i. Auftr. d. Ges. f. Pom. Gesch. u. Altertumskunde, Heft XI: Kreis Greifenberg, Stettin 1915, S. 131ff.

[7] Ebd., S. 133

 

 

Abkürzungen:
(†) Untergegangenes Haus
(K) Kurzbeschreibung
PGR – Państwowe Gospodarstwo Rolne (Staatlicher Landwirtschaftsbetrieb)

  1. Karnitz (Karnice), Herrenhaus, Detail der Südwestseite, Lithographie aus: Unser Pommerland, Monatsschrift für das Kulturleben der Heimat, 12. Jg. (1927), Heft 1, S. 9
  2. Karnitz (Karnice), Herrenhaus, Südwestseite, aus: Ulrich, A.: Die Chronik des Kreises Greifenberg in Hinterpommern, o. O. (Dötlingen) 1990, S. 310