Bandelin

Bandelin, im Kreis Vorpommern-Greifswald gelegen, stößt mit seiner Feldflur an die nordwestliche Gemarkungsgrenze der kleinen Landstadt Gützkow.

Zu Beginn des 18. Jahrhundert gehörte der Ort Felix Dietrich von Behr (1700–1764), der nach allem Dafürhalten als Begründer des Hauses Bandelin derer von Behr gilt. Unter den schwedischen „Tre Kronor“ avancierte Felix Dietrich nicht nur zum Landrat, damals eine ständische Funktion, sondern er war darüber hinaus auch Kurator der Greifswalder Universität.[1] In der nachfolgenden Preußenzeit machte sich vor allem Graf Felix Wilhelm Leonhard von Behr (1834–1894) einen Namen. Über das Wie und Warum berichtet Eckhard Oberdörfer folgendes: „Der Adlige wurde 1865 aus Anlass der 50jährigen Zugehörigkeit Neuvorpommerns zu Preußen zunächst Freiherr, 1878 dann preußischer Graf. Der von ihm begründete Fideikommiss war mit Stresow verknüpft (1052 Hektar insgesamt) […] Mit Carl Peters begründete der Kammerherr übrigens die Deutsche Gesellschaft für Kolonisation in Ostafrika. Auf ihn und Carl Peters lautet auch der 1885 von Kaiser Wilhelm I. und Reichskanzler Otto von Bismarck ausgestellte Schutzbrief für Erwerbungen in Ostafrika. […] Seine afrikanischen Mitbringsel schmückten lange das Schloss Bandelin.“[2]

Graf Felix war zudem ein eifriger Bauherr. Davon zeugen im Ort mehrere Ökonomie- und Wohngebäude, die vor allem in Ziegel-, Feldstein- und Lehmbauweise aufgeführt wurden, wobei alle drei Varianten zusammengenommen am sogenannten Wohnviereck von 1866 (erhielt auf der Pariser Weltausstellung eine Auszeichnung) zum Tragen kommen.[3] Bemerkenswert ist überdies der Bandeliner Marstall von 1860, bei dem gleichermaßen recht unterschiedliche Baumaterialien Verwendung fanden. Dazu nachfolgende Übersicht: das Erdgeschoss in Feldstein, die erste Etage in rotem Backstein, die zweite Etage in Fachwerk und die Architekturgliederung in gelbem Backstein.[4] Leider ist der Südostteil des Stalls schon sehr ruinös und einsturzgefährdet.

Nächster Herr auf Bandelin war Graf Felix Ulrich Degen Kurt v. Behr (1861–1931). Als das alte Herrenhaus 1929 abbrannte, ließ der Graf mit Versicherungsgeldern den auf uns überkommenen Nachfolgebau, das sogenannte Neue Schloss, in neobarocken Formen aufführen. Die dafür breitzustellenden Versicherungsgelder hatten zur Folge, dass zwei Versicherungsgesellschaften in Konkurs gingen. „Der Graf war dreimal verheiratet, doch erst seine dritte Gattin Helene von Podewils gebar ihm einen Sohn. Sie war für ihre Abneigung gegen die Nazis bekannt und konnte nach der Bodenreform bis zu ihrem Tod im Behrschen Greifswalder Stadthaus Bahnhofstraße 1 bleiben.“[5]

Das anfangs erwähnte „Neue Schloss“ (Putzbau, 11 × 3 Achsen, zweigeschossig, hohes Souterrain, Walmdach mit Fledermausgauben, an den Schmalseiten Erker, Streichrichtung Südwest–Nordost) verfügt an der Hofseite über einen dreiecksübergiebelten Mittelrisalit (drei Achsen) mit Wappenkartusche und Freitreppe. „An der Gartenfront der halbkreisförmige Risalit mit Kolossalpilastern, kupferbelegtem Kuppeldach und breit ausschwingender Freitreppe. Dahinter der ovale Gartensaal. Im jetzt als Diele genutzten ehemaligen Jagdzimmer sind die bemerkenswerten Konsolen in Bärengestalt und Wappenscheiben zu nennen. Treppenhaus und einige Stuckdecken erhalten.“[6] Vor 1945 gab es im Herrenhaus einen aus bemalten Kacheln (biblische und profane Szenen) bestehenden Ofen aus der Mitte des 18. Jahrhunderts, der heute in rekonstruierter Form das Pommersche Landesmuseum in Greifswald ziert.

Der hinter dem alten Adelssitz stockende Park mit seinem über 200 Meter langen Wasserparterre wurde um 1750 angelegt.[7] Zu den bemerkenswerten Gehölzen des zum Teil ungepflegten Gartens gehören: Weißtanne, aschenblättriger Ahorn, Roßkastanie, Rotbuche, Magnolie, Wintereiche, Kanadische Hemlocktanne und Eibe.[8]
Nördlich der dortigen Milchviehanlage (an der Straße nach Vargatz gelegen) hat sich in einem Waldstück der Bandeliner Friedhof (ist nur von der Umgehungsstraße aus zu erreichen) versteckt, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Auf dem noch nicht sehr alten Gottesacker treffen wir auf ein herausragendes Mausoleum der Familie von Behr. Das rechteckige, im Jahre 1922 aufgeführte Gebäude scheint auf Grund seiner Quadersteine aus Granit und Betongesimse für die Ewigkeit errichtet worden zu sein. Besonders hervorzuheben ist jedoch sein Portikus, dessen dreiecksübergiebelter Architrav von vier dorischen Säulen getragen wird. Beachtenswert ist zudem eine eiserne Grabtafel (auf dem südlichen Teil des Friedhofs positioniert) mit folgender Inschrift:

„Hier ruhen in Frieden
Otto Braun Erna Marten
Emil Braun Ewald Butzke
Johannes Lietzkow
aus Drosedow Krs. Kolberg“

Als die Rote Armee Ende April 1945 auch von Bandelin Besitz ergriff, wurden die sterblichen Überreste aus den im Mausoleum aufbewahrten Eichensärgen entfernt, um diese zur Überführung einiger in Vorpommern gefallener Offiziere in die Sowjetunion zu nutzen.[9]

An der Straße nach Vargatz, und zwar zur rechten Hand, steht etwa 100 Meter vor der dortigen Ortstafel ein Großsteingrab aus der Jungsteinzeit. Man hat das uralte Kulturdenkmal und den dazugehörigen Gedenkstein des F. F. von Behr in den 1980er-Jahren dorthin verfrachtet (übrigens unter fachmännischer Anleitung der Greifswalder Universität), da beide Objekte auf ihrem ursprünglichen Ackerstandort den Traktoristen im Wege waren. Auf dem Gedenkstein lesen wir:

„F. F. v. BEHR

XIII JAN. MDCCCXCII
URSORUM HOC LOCO ULTIMUS
HUIC TUMULO
UT PEPERCERUNT URSI
PARCITE ET VOS“

Die lateinische Steininschrift lautet übersetzt: "An dieser Stelle der Behren letzter. Dieser Hügel, wie ihn geschont haben die Behren, so schont auch Ihr ihn.“[10] Leider wurde das Anliegen des damaligen Gutsherrn auf Vargatz, Friedrich Felix von Behr (1892), zur LPG-Zeit in starker Weise vernachlässigt.

Etwa 150 Meter nördlich des Bandeliner Herrenhauses erhebt sich der 1953 eingeweihte Kulturpalast „Johannes R. Becher“. An den Namensgeber, der persönlich auf der Eröffnungsfeier der weiträumigen Baulichkeit zugegen war, erinnert sein in Reliefform dargestelltes Konterfei über dem Hauptportal. Außerdem wird am südlichen Hausgiebel mit einem großformatigen Wandbild auf die "unverbrüchliche Gemeinschaft der Arbeiter- und Bauernklasse" hingewiesen.[11] Gegenwärtig (2008) dient der L-förmige Gebäudekomplex, dessen Fassaden im Laufe der verflossenen Dezennien in die Jahre gekommen sind, der Lehrlingsausbildung, oder wie man nach dem Berliner Mauerfall sagt: der Ausbildung von Azubis.

Die bereits im Zusammenhang mit dem Mausoleum erwähnte Milchviehanlage für 4000 Rinder ist ein Produkt aus DDR-Tagen. Ihre Gebäude und Hochsilos werden heute von einem Unternehmer aus den Niederlanden genutzt.[12]

Das schlossartige Herrenhaus fungierte wenigstens bis 1995 als Kinderheim. Nachfolgend wurde es mit dem unmittelbar angrenzenden Parkareal von einem Miltzower Unternehmer der Recyclingbranche erworben, der es jedoch nur kurze Zeit in Besitz hatte. Später gelangten Haus und Umfeld an Peter Probst, den Geschäftsführer der „LEIPA GEORG LEINEFELDER GMBH“ (dazugehörig unter anderem die Papierfabrik in Schwedt an der Oder).[13] Dieser ist ein waschechter Bayer, spricht aber mit fast norddeutschem Dialekt. Er hat das gesamte Anwesen in vorbildlicher Weise sanieren und erneuern lassen, sodass es heute wieder in alter Schönheit zu bewundern ist.

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[1] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 155

[2] Ebd., S. 154f.

[3] Ebd., S. 156

[4] Baier, Gerd; Ende, Horst; Dräger, Beatrix; Handorf, Dirk; Oltmanns, Brigitte (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Stralsund – Greifswald – Rügen – Usedom, hrsg. v. Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, S. 272

[5] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 155

[6] Baier, Gerd; Ende, Horst; Dräger, Beatrix; Handorf, Dirk; Oltmanns, Brigitte (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmale in Mecklenburg-Vorpommern. Vorpommersche Küstenregion. Stralsund – Greifswald – Rügen – Usedom, hrsg. v. Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, S. 271f.

[7] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 155

[8] Baier, Gerd; Ende, Horst; Krüger, Renate (Bearb.): Die Denkmale des Kreises Greifswald, hrsg. v. Institut der Denkmalpflege, Arbeitsstelle Schwerin, Leipzig 1973, S. 39

[9] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 154

[10] Ebd., S. 154f.

[11] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 155

[12] Ebd., S. 156

[13] Angaben von Peter Probst zur jüngsten Historie des Bandeliner Herrensitzes vom 11. Februar 2009

1. Bandelin, Herrenhaus, Park- bzw. Südseite, April 2008; Foto: D. Schnell

2. Bandelin, historischer Ofen aus dem Herrenhaus, Exponat im Pommerschen Landesmuseum Greifswald, Juli 2010; Foto: D. Schnell

3. Bandelin, Ruine des Marstalls von 1860, März 2006; Foto: D. Schnell

4. Bandelin, Waldfriedhof, Mausoleum der Familie von Behr, April 2008; Foto: D. Schnell

5. Bandelin. Gedenkstein für Friedrich Felix v. Behr († 1892) auf Vargatz an der Straße Bandelin–Vargatz, April 2008; Foto: D. Schnell