Balfanz
Der Ort Balfanz (Białowąs) liegt 14 Kilometer nordöstlich von Bad Polzin. Balfanz gehörte lange Zeit den Herren von Glasenapp, ein ritterschaftliches Geschlecht, das sich mit dem Epitaph des 1710 verstorbenen Otto Kasimir v. G. in der recht ansehnlichen Dorfkirche (überputzter Fachwerkbau) verewigt hat. Später gelangte das über 1000 Hektar große Gut an die von Rittberg, deren Sippe auch in Ostpreußen, Schlesien und Ungarn über umfangreiche Besitzungen verfügte. Einer ihrer pommerschen Vertreter war der kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges auf Balfanz gesessene Friedrich Wilhelm Graf von Rittberg.[1]
Seit Anfang März 1945 unterstand das Gut einige Jahre der Roten Armee, um anschließend in polnische Hände übergeben zu werden. Im Zuge der polnischen Inbesitznahme mussten die noch im Ort verbliebenen Deutschen ihre Heimat verlassen.
Das Balfanzer Herrenhaus (kastenartiger Putzbau, 28 × 25 Meter, 9 × 6 Achsen, zweigeschossig, hohes Souterrain aus gespaltenen Findlingen) wurde nach allem Dafürhalten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet. Auffallend sind seine flügelartigen Eckrisalite (mit Lanzettfenstern) an den Längsseiten. Von den insgesamt vier Risaliten flankieren die beiden südwestseitigen eine vorspringende Terrasse (mit Freitreppe) und der Raum zwischen ihren gegenüberliegenden Pendants wird von einer über die Hausflucht hinausreichenden Glasveranda eingenommen, in deren Scheiben sich das benachbarte Wasserparterre (etwa 100 × 75 Meter, von Futtermauer eingefasst) spiegeln würde, wenn es in etwas größerer Hausnähe angelegt worden wäre.
Nach dem Verlassen des Hauptportals (am terrassenseitigen Anbaus befindlich, dieser mit konkaven Eckbereichen ausgestattet) und dem Passieren der oben genannte Treppe gelangt man auf eine befestigte Freifläche. Von dort aus führen mehrere Wege in die umliegende Parkanlage und den angrenzenden Hochwald. Am Parkrand steht eine der stärksten Eichen Pommerns von fast neun Metern Umfang (Mitte der 1990er-Jahre noch belaubt, im Sommer 2008 bereits überwiegend verdorrt). Es ist durchaus nicht ausgeschlossen, dass in ihrem Schatten schon die alten Pomoranen bei einem Becher Quas beisammen saßen und sich zuprosteten.
Die ursprüngliche Raumaufteilung des Herrenhauses ist bis heute erhalten geblieben. Genannt seien hier vor allem das weiträumige Vestibül (14 × 7 Meter, mit Kamin und hoher balkensichtiger Decke) und der sich anschließende Festraum, dessen Stuckdekor neuerdings ein bronze- und silberfarbener Anstrich ziert. Zu den wenigen noch erhaltenen Ausstattungsstücken aus deutscher Zeit gehören neben dem Kamin ein prächtiger Kachelofen im Neorenaissancestil und ein steinerner, mit blau-weißen Fliesen besetzter Ausguss.
Hierzu zwei Erlebnisberichte des Verfassers von seinen Besuchen 1995 und 2003: "Am 30. März 1995 durfte ich (der Verfasser) mit Zustimmung des polnischen Hausherrn und seiner Ehefrau das Anwesen betreten und in Augenschein nehmen. Das noch relativ junge Paar hatte die vom Staat zum Kauf ausgeschriebene Immobilie erst ein oder zwei Jahre zuvor in Besitz genommen. Stolz erläuterten sie mir alle Rekonstruktions- und Pflegemaßnahmen, die sich freilich nicht nur auf das Haus allein, sondern auch auf die bereits erwähnte Teichanlage und den Park erstreckten. Nach der Besichtigung der Innenräume führte mich die Informationstour auf einen nahen Hügel. Unter den hohen Bäumen war der Schnee noch nicht vollständig geschmolzen und so bildete sein Weiß einen deutlichen Kontrast zu einem altersgrauen Holzkreuz von beträchtlicher Höhe, das dort oben vor einer deutschen Grabstätte Bestandsschutz genießt. Auf dem flachen Grabstein standen eine Vase mit bunten Papierblumen und zwei oder drei heruntergebrannte Talgkerzen. Von der Steininschrift war allerdings kaum noch etwas zu entziffern, da man die meisten Buchstaben bis zur Unkenntlichkeit zertrümmert hatte. Um so mehr interessierten mich daher einige rekonstruierte Schriftzeichen, die sich problemlos zu der Namenszeile „Graf von Rittberg" zusammenfügen ließen. Für diese unerwartete Überraschung hatte mein polnischer Gastgeber gesorgt, und zwar als Steinmetz und sachkundiger Parkführer. Nach seiner Aussage standen wir dort oben am Grabe eines gefallenen deutschen Flieger-Offiziers, dessen Leichnam man noch kurz vor Kriegsende in heimatlicher Erde bestattet hatte. Ob es sich bei dem Verstorbenen um den bereits anfangs erwähnten Friedrich Wilhelm Graf von Rittberg oder um dessen Sohn handelte, bleibt hier freilich dahingestellt."
Im Jahre 2003 zeigte die vor fast einem Dezennium begonnene Sanierung des ehemaligen Anwesens der Grafen von Rittberg erste Erfolge. Allerdings hing vor dem neu errichteten Parktor ein großes Kettenschloss, dass jedem Besucher ganz unmissverständlich verdeutlichte: bis hierher und nicht weiter. Wie es damals schien, hatte der oben genannte Eigner sein „Schloss“ zwar noch in Besitz, aber nicht mehr in Nutzung. Der Grund dafür dürften die im Haus spukenden „Geister“ gewesen sein, die sich dort laut Bericht in der Ostsee-Zeitung wie folgt bemerkbar machten: „Geister pommerscher Grafen sollen in ihrem einstigen Schloss im polnischen Bialowaz (Balfanz, der Verf.) spuken. Entnervt durch nächtliche Schreie, geheimnisvolles Tassengeklapper und andere Phänomene zog Schloss-Besitzer Stanisław Michałak ins Dorf, um endlich wieder ruhig schlafen zu können, berichtete die polnische Zeitung ,Fakt’. Auf der Suche nach Ursachen seien Einwohner in der Krypta der Schlosskapelle fündig geworden. Die Särge der Familienguft der von Glasenapp, die 1945 von plündernden Sowjetsoldaten geöffnet wurden, seien noch immer offen, Schädel und Knochen auf dem Boden verteilt. Die ältesten Bewohner des Dorfes glauben an die Rache der Geister für die Störung der Totenruhe. Alle, die an der Plünderung beteiligt waren, starben demnach binnen weniger Monate. Schlossbesitzer Michałak plädiert für eine Wiederherstellung der Totenruhe, der Ortspfarrer will mit Gebeten in der Krypta die Geister besänftigen.“[2]
Im Hinblick auf das Balfanzer Herrenhaus sei hier noch erwähnt, dass das leerstehende Gebäude bis heute (Frühjahr 2009) als „Spukschloss“ unter Dauerverschluss steht.
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[1] Neuschäffer, Hubertus: Schlösser und Herrenhäuser in Hinterpommern, Leer 1994, S. 41f. sowie Hinz, Johannes: Pommern-Wegweiser durch ein unvergessenes Land, Mannheim 1988, S. 45
[2] o. A.: Spuk in polnischem Schloss vertreibt Besitzer, in: Ostsee Zeitung, Lokalseite der Stralsunder Ausgabe, 11. Januar 2005
1. Balfanz (Białowas), Herrenhaus, Südwestseite, März 1995; Foto: D. Schnell
2. Balfanz (Białowas), Herrenhaus, Nordostseite, April 2009; Foto: D. Schnell
3. Balfanz (Białowas), Herrenhaus, gründerzeitlicher Ofen in einem Zimmer des Erdgeschosses, März 1995; Foto: D. Schnell
4. Balfanz (Białowas), Park, Grabstätte der Grafen von Rittberg, März 1995; Foto: D. Schnell
5. Balfanz (Białowas), Park, starke Eiche von 8,4 m Umfang nordwestlich des Herrenhauses, März 1995; Foto: D. Schnell