Auerose

Der sieben Kilometer südöstlich von Anklam liegende Ort Auerose nimmt mit seiner Feldflur zwischen der Bundesstraße 109 und der Bahnstrecke Berlin–Stralsund fast eine Insellage ein.

Das dortige Gut befand sich im 18. Jahrhundert im Besitz derer von Schwerin. Von diesen wurde es 1791 von Georg Friedrich Ludwig von Borcke (1747–1813, Landgerichtsdirektor) für 55.000 Reichstaler erworben. Zu den Besitznachfolgern des Georg Friedrich gehörten unter anderem:

  • Franz Alexander von Borcke-Auerose (er ließ in den Jahren 1848/49 ein neues Herrenhaus aufführen)
  • Barnim Bogislaw von Borcke-Auerose (1854–1921)[1]
  • Bernhard von Borcke-Altwigshagen (wird 1911 genannt)
  • Wolf von Borcke-Auerose (bis 1928), ein Pächter (von 1928 bis 1938) und erneut
  • Wolf von Borcke-Auerose (von 1938 bis 1945)

Kurz vor dem Einmarsch der Roten Armee im Frühjahr 1945 floh der letztgenannte Besitzer mit seiner Gattin Erika nach Hameln, wo das Ehepaar kinderlos verstarb.[2]

1911 verfügte das Gut über einen Flächenumfang von 632 Hektar. Außerdem wies sein Viehbestand folgende Stückzahlen auf: 63 Pferde, 211 Stück Rindvieh, 645 Schafe und 289 Schweine.[3]

Wie bereits anfangs erwähnt, wurde der Grundstein des auf uns überkommenen Herrenhauses von Franz Alexander von Borcke-Auerose gelegt.[4] Der in neogotischen Formen aufgeführte Bau brannte allerdings 1895 fast vollständig nieder. Wahrscheinlich blieben dabei nur die Umfassungsmauern und das Kellergeschoss relativ unversehrt erhalten. Im Jahre 1902 entstand nach Plänen von Baurat Carl Emil Scherz (1860–1945) unter Verwendung der noch brauchbaren Mauersubstanz der Brandruine das „Schloss“ unserer Tage.[5] Das stattliche Gebäude (Putzbau, ca. 30 × 24 Meter, hohes Souterrain aus gespaltenen Findlingen, zweigeschossig, vier polygonale Eckpfeiler mit Zinkvasenbekrönung, Dekorelemente in Neobarock- und Jugendstilformen) wird an seiner Nordostecke von einem polygonalen Turmmassiv überragt (vier Obergeschosse, letztes Obergeschoss mit Schieferverkleidung und Ovalfenstern, darüber geschweifte Haube). Gleich daneben fällt an der Ostseite ein nicht allzu breiter Seitenrisalit ins Auge (im Giebelfeld Stuckkartusche mit figuraler Darstellung) und an der in Richtung West weisenden Hoffront setzt ein Mittelrisalit die gestalterischen Akzente (zwei Achsen, Volutengiebel mit aufgesetztem Segmentbogen, im Giebelfeld quer liegendes Ovalfenster, dieses von vegetabilischen Stuckformen und zwei Halbsäulen umrahmt beziehungsweise flankiert). Der hofseitige Risalit verfügt über zwei Spitzbogenportale mit profiliertem Gewände, über deren Bögen die plastische Darstellung eines pflügenden Bauern in einer Kartusche zu bewundern ist. Darüber hinaus sind beide Portale von einer Auffahrrampe erreicht, die allerdings in einem desolaten Zustand ist. Nicht mehr vorhanden sind die ehemaligen Fledermausgauben auf dem Dachgeviert, da sie in der DDR-zeitlichen Neueindeckung des Hauses ersatzlos entfernt wurden.

Nach dem Durchschreiten eines der oben genannte Portale – an dem zur rechten Hand liegenden Exemplar hing 2007 noch ein altes Emailleschild mit der Hausnummer 28 – gelangt man in einen schmalen Windflur. Daran schließen sich nacheinander eine Vorhalle und das in Gebäudemitte liegende Vestibül an, welches über zwei Geschosse reicht und mit Treppenaufgang, Oberlicht sowie aufwendigen Holzschnitzereien versehen ist. Bei Eckhard Oberdörfer lesen wir über die Innenraumarchitektur und Ausstattung des Hauses folgendes: „Vieles blieb trotz Plünderungen durch die Sieger im Jahre 1945 erhalten, zum Beispiel die Stuckdecken und Bilder mit Familienangehörigen in der so genannten großen Halle. Dazu kommen Holztäfelungen und Kamine sowie eine ganze Reihe von Gemälden (Wandbilder, der Verf.), die Dresden und seine Umgebung, die Wahlheimat des Schlossherrn Barnim Bogislaw (1854–1921) seit 1891, zeigen.“[6]

Seit Mitte 1945 wurde das Herrenhaus vorwiegend von ostdeutschen Flüchtlingen bewohnt. Nach dem Berliner Mauerfall suchten sich die noch verbliebenen Einlieger jedoch eine neue Unterkunft, zumal das in die Jahre gekommene Haus um 1995 von zwei Göttingern erworben wurde, die einen Teil der bröckelnden Putzfassade nebst Eckwarte sanieren ließen. Bei einer Zwangsversteigerung des alten Adelssitzes 2003 erhielt ein Rechtsanwalt aus Bayern den Zuschlag.[7] Seither hat sich an dem Haus nichts Wesentliches mehr getan, sodass es heute (2016) ziemlich ungepflegt und verwahrlost in Erscheinung tritt.
Im letzten Jahr der DDR (1990) diente das „Schloss“ als Filmkulisse für ein Lichtspielwerk, das die schikanöse Beisetzung der 1957 verstorbenen Gräfin Freda von Schwerin in Stolpe auf Usedom zum Inhalt hat (siehe hierzu auch Beitrag „Stolpe auf Usedom“).

Der Aueroser Friedhof kann mit einem sehenswerten Mausoleum aufwarten. Das neoklassizistische Bauwerk wurde von Barnim Bogislaw von Borcke-Auerose 1898 nach Plänen des Baurates Scherz an Stelle einer älteren Gruftanlage errichtet. Im Stil eines Antentempels gestaltet, verfügt der Grabbau über zwei dorische, kannelierte Säulen, die den Eingang flankieren und außten zwei dorische Pfeiler. Das Gebälk der Säulenordung besteht aus einem Faszien-Architrav, einem breiten Friesband und einem Kranzgesims mit kubischen Konsolsteinen. Im Tympanonfeld des Dreiecksgiebel unterstreichen zwei Palmwedel und ein Kreuz den sakralen Charakter des noch gut erhaltenen Gebäudes.[8] Auf dem Friesband befindet sich über dem Eingang in zentralter Position eine Inschrift, die aus der Offenbarung des Johannes stammt: "SELIG SIND DIE TOTEN DIE IN DEM HERRN STERBEN".

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[1] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 25f.

[2] Ebd., S. 26

[3] Ebd., S. 25f.

[4] Ebd., S. 26; nach Neuschäffer, Hubertus: Vorpommerns Schlösser und Herrenhäuser, Husum 1993, S. 24 war Wilhelm von Borcke der Bauherr

[5] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 26

[6] Ebd., S. 26

[7] Angaben eines Bürgers aus Auerose zur jüngeren Historie des dortigen Herrenhauses, 3. Dezember 2008

[8] Oberdörfer, Eckhard: Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern – ein Reise- und Lesebuch, Bremen 2006, S. 25 sowie Baier, Gerd; Ende, Horst; Oltmanns, Brigitte; Rechlin, Wolfgang (Bearb.): Die Bau- und Kunstdenkmale in der DDR. Bezirk Neubrandenburg, hrsg. v. Inst. f. Denkmalpflege, Berlin 1982, S. 71

1. Auerose, Herrenhaus, Hof- bzw. Südseite, April 2016; Foto: D. Schnell

2. Auerose, Herrenhaus, Schweifgiebel mit Dekor an der Südseite, April 2000; Foto: D. Schnell

3. Auerose, Herrenhaus, Ostseite mit Eckturm, April 2016; Foto: D. Schnell

4. Auerose, Herrenhaus, Westseite, Dezember 2007; Foto: D. Schnell

5. Auerose, Herrenhaus, Hauptportal an der Südseite, Dezember 2007; Foto: D. Schnell

6. Auerose, Mausoleum neben der Kirche, 1898 nach Plänen von Baurat Scherz errichtet, April 1993 ; Foto: D. Schnell