Aschersleben

Bei dem hier vorgestellten Aschersleben handelt es nicht um die gleichnamige Stadt in Sachsen-Anhalt, sondern um das ländliche Gemeinwesen im Kreis Vorpommern-Greifswald, das sechs Kilometer nordwestlich von Torgelow von einer aus Ferdinandshof kommenden Stichstraße erschlossen wird.

Die letztgenannte Kommune und ihre Nachbarorte, zu denen auch Aschersleben gehört, sind vor allem das Ergebnis der von Friedrich Wilhelm I. angeordneten Urbarmachung seiner neu erworbenen pommerschen Besitzungen an Uecker und Zarow. Als provinziale „Aufsichtsbehörde" dieser Aktion fungierte die 1723 in Stettin geschaffene Kriegs- und Domänenkammer. Um bei dem Vorhaben das Staatssäckel nicht über Gebühr zu beanspruchen, führte der König die Generalverpachtung einzelner Ämter ein. Davon profitierte der Lokator Christoph Ludwig Henrici, der in den von ihm 1726 gepachteten Ämtern Ueckermünde und Torgelow durch die Kultivierung unwegsamer Moor- und Feuchtgebiete neue Siedlungsräume erschloss. In Anerkennung seiner Verdienste wurde Henrici 1736 vom König zum „Wirklichen Kriegs- und Domänenrat“ ernannt. Außerdem erhielt er die Generalpacht über die vereinigten Ämter Ueckermünde, Torgelow und Königsholland, wobei Königsholland mit seinem neu angelegten Zentrum Ferdinandshof erst 1737 gebildet wurde. Mithilfe des Lokators konnten sich viele Kolonisten (1741 und 1742 trafen unter anderem 24 Familien aus der Kurpfalz und dem Herzogtum Pfalz-Zweibrücken ein) in und um Ferdinandshof eine neue Heimat schaffen.[1]

Bis 1841 bildete das Vorwerk beziehungsweise die Kgl. Domäne Aschersleben eine Afterpachtung von Ferdinandshof. Außerdem mussten die bäuerlichen Wirte des Ortes bis dahin auf dem Amt Königsholland Hand- und Spanndienste leisten. Im letztgenannten Jahr, nämlich 1841, wurde das Vorwerk dem Afterpächter Gansauge, der dasselbe schon seit 1821 bewirtschaftet hat, als selbständige Pachtung übertragen. Unter seiner Regie wies der Anbauplan im Wirtschaftsjahr 1843/44 folgende Feldfrüchte auf: Rübsen, Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Buchweizen, Erbsen, Wicken, "Gemenge", Kartoffeln und Klee. Die höchsten Erträge lieferten Kartoffeln (7186 Scheffel), Hafer (1688 Scheffel) und Roggen (671 Scheffel).[2]

Zu den Pachtnachfolgern des Herrn Gansauge auf der Kgl. Domäne gehörten: Gansauge Sohn (von 1844 bis 1853), die Witwe Ida Wilhelmine Henriette Ferndinandine Gansauge geb. Thilo (ab 1853), [3] der Leutnant der Reserve von Creytz (wird 1911 genannt) sowie der Oberamtmann Benno von Creytz und der Leutnant der Reserve Horst von Creytz (werden 1939 namhaft gemacht).[4]

Im Jahre 1911 verfügte die 605 Hektar umfassende Domäne über folgende Nutzflächen: 311 Hektar Acker und Gärten, 228 Hektar Wiesen, 58 Hektar Weiden und acht Hektar Holzungen. Außerdem gebot der landwirtschaftliche Großbetrieb über nachstehenden Viehbesatz: 52 Pferde, 126 Stück Rindvieh und 120 Schweine.[5]
Zwischen den beiden Weltkriegen wurden laut Güteradressbuch etwa 145 Hektar der Domäne aufgesiedelt. Davon künden bis heute (Juli 2014) die zeittypischen Siedlergehöfte des Ortes.

Das Ascherslebener Pächterhaus besteht aus dem Hauptgebäude (Streichrichtung Südwest–Nordost, ca. 22 × 14 Meter, 8 × 3 Achsen, anderthalbgeschossig, hohes Souterrain, dieses bis auf die Garten- beziehungsweise Südostseite aus gespaltenen Findlingen bestehend, Walmdach, an nordöstlicher Schmalseite polygonaler bodenständiger Erker, an Gartenfront südöstlich gelegener Eckrisalit [zwei Achsen, zwei Geschosse], desgleichen an Hoffront, in Südwestverlängerung des Risalits zweiachsiger Anbau und Veranda) sowie dem sich anschließenden Südwesttrakt (ca. 18 × 8 Meter, sechs Achsen, anderthalbgeschossig, Souterrain wie beim Hauptgebäude, flaches Walmdach, die Gartenseiten von Hauptgebäude und Trakt liegen auf einer Linie). Es ist wohl davon auszugehen, dass das Haus (insgesamt etwa 40 × 14 bzw. 8 Meter) in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert errichtet wurde.
Gegenwärtig steht der alte Pächtersitz leer. Seine Souterrain- und Erdgeschoss-Fenster sind in Gänze oder zum Teil vermauert, sodass das grau gewordene Gebäude hinter dem fortschreitenden Wildwuchs den Eindruck macht, als sei es dem Verfall preisgegeben.

Der kleine, an das Haus grenzende Park ist verwildert. In ihm hat sich in Hausnähe das Fragment einer alten Holzpumpe erhalten, die mit ihrem als Fischkopf gestalteten Auslaufrohr an längst vergangene Zeiten erinnert. Zudem haben im Park zwei starke Ulmen von etwa sechs Metern Umfang die Zeiten überdauert.
Noch in Funktion ist die alte Domänengärtnerei, doch läuft deren Betrieb gegenwärtig nur in geringem Maße.

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[1] Lange, Roland: Schlösser und Gärten in Mecklenburg-Vorpommern – Heinrichsruh, hrsg. von Sybille Badstüber-Gröger, Berlin 2001, S. 1f.

[2] Berghaus, Heinrich: Landbuch des Herzogtums Pommern – Schilderung der Zustände dieser Lande in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Teil II: Landbuch des Herzogthums Stettin, von Kamin und Hinterpommern; oder des Verwaltungs-Bezirks der Königl. Regierung zu Stettin, Band 1: Kreise Demmin, Anklam, Usedom-Wollin und Ueckermünde. Anklam 1865, S. 962f.

[3] Ebd., S. 961

[4] Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Bd. 3, Reihe 1: Pommern, Leipzig 1911 und Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Bd. 9, Reihe 1: Pommern, Leipzig 1939

[5] Niekammer’s Landwirtschaftliche Güter-Adreßbücher, Bd. 3, Reihe 1: Pommern, Leipzig 1911

1. Aschersleben, Pächterhaus, Hof- bzw. Nordwestseite, Juli 2014; Foto: D. Schnell

2. Aschersleben, Pächterhaus. Garten- bzw. Südostseite, Juli 2014; Foto: D. Schnell

3. Aschersleben, domänenzeitliches Stallgebäude mit integrierter Siedlerwohnung, Südostseite, Juli 2014; Foto: D. Schnell

4. Aschersleben, alte ausrangierte Holzpumpe hinter dem Pächterhaus, Juli 2014 ; Foto: D. Schnell