Alt-Draheim (Stara Drawsko)

Die Feste oder das Haus Draheim, heute zum Ort Alt-Draheim (Stara Drawsko) gehörend, liegt auf der verkehrsstrategisch bedeutsamen Landenge zwischen dem Dratzig- und Sarebensee im historischen Land Tempelburg, das 1286 vom polnischen Herzog Przemyslaw II. dem Templerorden geschenkt worden war. Die fünf Kilometer südlich der Feste liegende Stadt Tempelburg geht auf den oben genannten Orden und dessen gleichnamige Burg (lag auf dem Standort der 1753 errichteten Stadtpfarrkirche St. Trinitatis) zurück.[1] Um 1300 bestimmten die Markgrafen im dortigen Seengebiet das Geschehen. Als der Orden der Templer 1312 von Papst Clemens V. aufgehoben wurde, gaben die Brandenburger den ihnen zugefallenen Ordensbesitz an die Johanniter ab. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Letztgenannten als Bauherren der Feste Draheim infrage kamen. 1368 verzichtete Markgraf Otto der Faule zugunsten des polnischen Königs auf das Land Tempelburg. Noch im selben Jahr kam es zu blutigen Grenzfehden zwischen den pommerschen Herzögen und einigen polnischen Adelsgeschlechtern, bei denen das Schloss Tempelburg und die nördlich von Deutsch Krone gelegene Johannisburg bei Machlin zerstört wurden. 1407 geriet Draheim in die Gewalt einer deutsch-polnischen Adelsverbindung, die aus der Burg ein „Raubnest“ machte. Um die Bedrohung der Handelswege durch die Draheimer Wegelagerer zu beenden, brachte die neumärkische Stadt Dramburg die Feste in ihre Gewalt. Als sich der Sieger nach dem Frieden von Melnosee jedoch weigerte, Draheim wieder an Polen auszuliefern, machte der Deutsche Orden seinen Einfluss geltend und sorgte für die Rückübertragung der Burg an Krakau. Seitdem bildete die dortige Starostei als Teil der Verwaltungseinheit Deutsch Krone („in den polnischen und brandenburgisch-preußischen Quellen jener Zeit noch als Walcz, Crone oder Arnscrone bezeichnet“) den nordwestlichsten Zipfel Polens, von dem es nicht selten zu Übergriffen auf die angrenzende Neumark kam. Mit dem Vertrag von Bromberg (auch Bromberg wird in den brandenburgischen Quellen des 17. Jahrhundert noch häufig als Bydgost bezeichnet) vom 6. November 1657 zwischen König Johann Kasimir und Markgraf Friedrich Wilhelm I. wurde die Verpfändung des Krongutes Draheim an Brandenburg besiegelt. Obwohl die vertraglich fixierte Übergabe der Starostei 1660 erfolgen sollte, zog sich der Besitzerwechsel noch über Gebühr in die Länge, sodass der Kurfürst nach dem Tode des Feldmarschalls Stefan Potocky, dem damaligen Inhaber der Burg, diese am 26. August 1668 mit Waffengewalt einnahm. In der Folgezeit wurde Draheim bis 1726 als sogenanntes Schatullgut im Namen der Hofkammer in Berlin für den brandenburgischen Kurfürsten beziehungsweise ab 1701 für den preußischen König von einem auf der Burg gesessenen Amtmann verwaltet. Ab 1726 nahm die ehemalige Starostei den Status einer Domäne an. Ihre besondere staatsrechtliche Rolle und direkte Berliner Unterstellung endeten erst nach der ersten polnischen Teilung im Jahre 1772. Infolge der Neuordnung der preußischen Provinzen fiel das Amt Draheim einschließlich der nachbarlichen neumärkischen und westpreußischen Gebiete (letztere gehörten bis 1772 zu Polen) 1817 an die preußische Provinz Pommern. 1818 kam es zum Verkauf des Vorwerks Adlig Draheim und der inzwischen zur Ruine „mutierten“ Feste. Von nun an hatten auf der umliegenden Feldmark adlige Familien das Sagen. Unter ihnen befand sich auch ein Vertreter derer von Schmiterlöw, dessen Vettern nicht nur in Vorpommern, insbesondere auf Rügen, sondern auch in Schweden begütert waren.[2] Im Jahre 1851 gehörte die Ruine Draheim dem Kossäten Huth. Als dieser allerdings daran ging, aus dem unteren Teil der Umfassungsmauern Feldsteine herauszubrechen, intervenierte die pommersche Provinzialregierung. Ihrer Umsicht ist es zu verdanken, dass der geschichtsträchtige Bau aus der Verfügungsgewalt des Kossäten in die des Fiskus überging.[3]

Wie hier bereits erwähnt, liegt die Feste Draheim beziehungsweise das, was von ihr noch erhalten ist, auf einer schmalen Landenge. In Anbetracht der 1856 erfolgten Absenkung der Wasserspiegel des Dratzig- und Sarebensees ist davon auszugehen, dass deren Ufer vormals noch etwas näher als gegenwärtig an den Burghügel herantraten. Bei dem Hügel handelt es sich um eine rechteckige Erdaufschüttung (ca. 60 × 50 Meter, Streichrichtung Nord–Süd) von knapp fünf Meter Höhe, auf deren Plateau die Feste beziehungsweise Burg errichtet wurde. Diese besteht im wesentlichen aus einem kastellartigen Mauergeviert (50,4 × 45,7 Meter, Wandstärke 2,5 Meter), das der Wildenbrucher Hauptburg (um 1380 von den Johannitern erbaut, 50,5 × 48 Meter, Wandstärke 2,7 Meter) hinsichtlich ihrer Abmaße und Konfiguration sehr nahe kommt.[4] Dass das Burggeviert in seinem jetzigen Ausmaß von den Johannitern aufgeführt worden sein soll, stößt bei Emil Wille auf Ablehnung. Der Gelehrte aus Neustettin kam nach einem 1906 von Hugo Lemke erstellten Gutachten zu folgendem Schluss: „Ihre Mauern bestehen im unteren Teile fast durchweg aus großen Feldsteinen, im oberen aus Mauersteinen und bilden nicht etwa, wie man allgemein glaubt, die Überbleibsel des Hauses das von den Tempelherren oder den Johannitern errichtet wurde, sondern stammen erst von einer zweiten Anlage her, und zwar weisen […] das Format der verwendeten Backsteine (8, 14, 29), ihr Verband und die Art des Mauerwerks, das teilweise aus Findlingen hergestellt ist, die mit Backsteinen untermischt sind, auf eine Bauzeit, die ins fünfzehnte Jahrhundert und in ihm mehr an das Ende als an den Anfang zu setzen sein dürfte, also der Zeit des polnischen Besitzes angehört.“[5]

Die im obigen Text vertretene Meinung von einer „zweiten Anlage“ kann hier allerdings nicht geteilt werden. Dagegen sprechen die bis zum Jahre 1407 erfolgte De-facto-Inbesitznahme des Landes Tempelburg durch die Johanniter und die Ähnlichkeit Draheims mit Wildenbruch und Sonnenburg (erste Bauphase).

Die Umfassungsmauern der Burg wiesen Ende 1668 eine Höhe von 12,6 beziehungsweise 7,6 Metern auf, wobei sich der größere Wert auf die südliche Schmalseite des Mauerumrings bezog. Aller Wahrscheinlichkeit nach bildete diese Seite gleichzeitig die Außenmauer eines vormaligen Gebäudes (dreigeschossig, nach Art der Häuser auf den Burgen Wildenbruch und Schivbelbein errichtet), von dem sich noch einige Kellerfundamente und ein Teilstück der sogenannte Vormauer erhalten haben. Da das oben genannte Gebäude weder in den 1668 noch 1672 aufgestellten Inventarverzeichnissen vorkommt, ist davon auszugehen, dass es im 17. Jahrhundert nur noch in rudimentärer Form existent war. Vorhanden waren 1668 hingegen die schon erwähnte „Vormauer“ und zwei mit Stroh gedeckte Häuschen (ein kleineres und ein größeres) an der westlichen Innenhofseite. Ansonsten „bemerkte man nur noch einen in Nähe dieses Häuschens [das größere der beiden, der Verf.] befindlichen gemauerten und mit alten Bohlen bedeckten Keller unter einem Dielenschauer, einen Backofen, zwei verfallene Pferdeställe und mitten auf dem Platz einen alten Brunnen, sowie irgendwo sechs Doppelhaken, die auf zwei halben Wagen standen“[6].

Das einzige in die Burg führende Tor befand und befindet sich an zentraler Stelle der Nordmauer. Etwa zehn Meter davor durchquerte ein von See zu See führender Wassergraben („pikentief“, ca. zehn Meter breit) das Gelände und trennte den Burgkomplex vom nördlich angrenzenden Landengenfortsatz ab. Ein weiterer gleichformatiger Graben verlief parallel zum südlichen Wallfuß (heute Parkplatz). Über ihn und sein nördliches Gegenstück spannten sich zwei seenahe Brücken. Außerdem verfügte der Graben vor dem Burgtor über einen weiteren Übergang. Ca. 100 Meter weiter nördlich desselben durchschneidet der noch jungfräuliche Dragefluß die Landenge, sodass es südlich des Flüsschens zur Bildung einer weiteren Insel kam, auf der sich 1668 das mit Stroh gedeckte Brauhaus der Burganlage befand. Heute treffen wir dort die im 19. Jahrhundert aus gespaltenen Findlingen errichtete Dorfkirche von Alt-Draheim an.

Wird der Zustand der Draheiner Feste 1668 noch als „wüst“ beschrieben, so hatte sich ihre Lage sieben Jahre nach der Inbesitznahme durch den Großen Kurfürsten bedeutend verbessert. Zu den Neuerungen und Verbesserungen zählten unter anderem: die Erhöhung der Nord-, Ost- und Westmauer auf 12,6 Meter, die Aufstockung der oberen vier Ecken des Mauergevierts durch je ein Blockhaus, der Ersatz der an der Westmauerinnenseite gelegenen desolaten Gebäude durch ein „Corps de Garde“ (ziegelgedeckt, vier Gebinde) und ein Amtshaus (ziegelgedeckt, 15 Gebinde, zwei Stock hoch), die Errichtung eines Sturmkastens, eines Munitionskellers und einer Baracke (alle an der Ostmauer gelegen), die Überdachung des Hofbrunnens, ein von spanischen Reitern gesicherter Schlagbaum vor dem Tor und die Umfriedung des Burgplateaus durch einen Palisadenzaun.[7]

1758 griff der Kosakengeneral Demikow die Feste an. Da deren Besatzung nur aus dem invaliden Oberst Kosel und 20 Mann bestand, hatte der russische General mit der Burg leichtes Spiel. Trotzdem nahm er sie über Gebühr unter Feuer und schoss sie in Brand. Insofern ist es durchaus nachvollziehbar, dass man 1784 über den gänzlichen Abriss der zerstörten Anlage nachdachte.[8]

Geblieben sind die Umfassungsmauern, auch wenn diese zum Teil nur noch die Hälfte ihrer einstigen Höhe erreichen. Zudem haben sich einige Relikte der sogenannten Vormauer und der Kellerfundamente des in der Frühen Neuzeit abgängigen Burggebäudes aus dem Spätmittelalter erhalten. Nicht mehr vorhanden sind die ehemaligen Gräben an der Nord- und Südflanke sowie deren Brücken und die beiden seeseitigen Landwege, von denen das westliche Exemplar im 19. Jahrhundert durch eine Chaussee ersetzt wurde.

Infolge des Zweiten Weltkrieges fiel Alt-Draheim mit seiner Feste 1945 an Polen, zu dem es, wie hier bereits anfangs ausgeführt, schon vor 1657 gehört hatte.

1996 diente die Ruine mit ihrem verbuschten Areal als Abenteuerspielplatz. Im Sommer 2003 rückte man nicht nur dem Wildwuchs zu Leibe, sondern man sanierte auch das brüchig gewordene Ruinengemäuer. Außerdem wurde die noch aus PGR-Zeiten stammende Parkfläche am südlichen Böschungsfuß um einen Rastplatz erweitert. Am Rande des Platzes geben sich neuerdings in den Sommermonaten zwei Kioske ein Stelldichein, denn Alt-Draheim und seine touristisch genutzte Ruine sowie die wundervolle Seen- und Hügellandschaft zwischen Bad Polzin und Tempelbug (Pommersche Schweiz) gehören heute zu einem stark frequentierten Urlaubsgebiet, in dem der buchtenreiche Dratzigsee hinsichtlich seiner maximalen Wassertiefe von 83 Metern an der südlichen Ostseeküste seinesgleichen sucht.

Abkürzungen
PGR – Państwowe Gospodarstwo Rolne (Staatlicher Landwirtschaftsbetrieb)

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[1] Hinz, Johannes: Pommern-Wegweiser durch ein unvergessenes Land, Mannheim 1988, S. 380f.

[2] Porada, Haik Thomas und Lissok, Michael: Die frühe Starostei Draheim und die Stadt Tempelburg, in: Pommern. Zeitschrift für Kultur und Geschichte, XL. Jahrgang (2002), Heft 2, S. 4ff.

[3] Wille, Emil: Das Haus (Schloss) Draheim, in: Unser Pommerland, Monatsschrift für das Kulturleben der Heimat 12. Jg., Heft 9/10, Stettin 1927, S. 423

[4] Ebd., S. 421

[5] Ebd., S. 423f.

[6] Ebd., S. 421

[7] Ebd., 421f.

[8] Ebd., S. 423

1. Alt-Draheim (Str. Drawsko), Burgruine von Südwesten, Juli 1997; Foto: D. Schnell

2. Alt-Draheim (Str. Drawsko), Burgruine, Südseite von Südwesten, Mai 2005; Foto: D. Schnell